Invasion der Türkei und Anschlag auf Synagoge in Halle

Vorgestern, am 09. Oktober fanden zwei Ereignisse auf statt, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben scheinen – der Einmarsch der türkischen Armee in Rojava und der Anschlag eines deutschen Neonazis auf die Synagoge in Halle, bei dem zwei Menschen getötet wurden.

Der Angriff der türkischen Armee ist Teil eines jahrezehntelangen Kampfes um die Vorherrschaft im Nahen Osten, der syrische Bürgerkrieg Schauplatz der Auseinandersetzung verschiedener imperialistischer Staaten. Rückendeckung für ihr Tun bekommt die Türkei auch vom deutschen Staat, denn der Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei finanziert auch das türkische Militär und sichert der Türkei zwar nicht die offene Unterstützung, aber doch die praktische Billigung ihres Tuns durch die EU-Mitgliedsstaaten.
Und warum handelt die EU so? Warum ist ihr die Tatsache, dass die Türkei 3,6 Mio. Geflüchtete aus Syrien an der Weiterreise hindert, 6 Milliarden Euro und den Verrat an der kurdischen Bewegung wert?
Ein Grund dafür ist in dem Rechtsruck zu finden, der in vielen europäischen Staaten die bis dato etablierten Parteien unter Druck setzte und denen Stimmen nahm – ein Rechtsruck, der aus dem ganzen rassistischen Potential der bürgerlichen Gesellschaft heraus entstand und auch die anderen Parteien vor sich hertreibt. Angetrieben von diesem Rechtsruck sehen sich die aktuellen Herrschenden genötigt, auf die Interessen dieser „besorgten Bürger“ einzugehen. Dazu gehört eben, dass man der Türkei Milliarden bezahlt, damit diese Millionen geflüchteter Syrer*innen an der Weiterreise hindert. Wenn Horst Seehofer vor einer (wie vor ein paar Tagen geschehen) vor einer neuen „Flüchtlingswelle“ warnt, hat das zwei Sachen zu bedeuten: Erstens, der Flüchtlingsdeal wird nochmals verteidigt und der Rassismus wird angeheizt: denn nichts macht den Rassist*innen dieses Landes mehr Angst, als die Vorstellung dass noch mehr hilfesuchende Menschen sich in Sicherheit bringen können. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn faschistische Gruppen und Ideologien Aufwind bekommen, ob jetzt die identitäre Bewegung oder die rassistischen Mobs in Städten wie Schneeberg, Bautzen, Freital oder Chemnitz und vor allem auch die AfD, die zwar (noch?) nicht geschlossen faschistisch ist, aber das Bindeglied zwischen bürgerlichen und faschistischen Rechten ist. Und bei diesem gesellschaftlichen Klima ist klar, dass auch Neonazis in ihrem Wahn sich bestätigt fühlen und sich auserkoren sehen, alleine gegen die herbeiphantasierte Islamisierung anzukämpfen. Und in nazistischer Tradition deuten sie die Geschehnisse der (Welt-)Politik antisemitisch: hinter allem tatsächlichen und auch vermeintlich Schlechten der modernen Welt sehen sie Juden – egal ob Feminismus oder Immigration. Am Antisemitismus dieser Menschen hat sich in den letzten 100 Jahren nichts geändert.
Umgekehrt füttert der rechte Terror und Rassismus das islamistische Narrativ, dass der Westen einen Kreuzzug gegen alle Muslime führen würde und nur die Umma Schutz bietet – eine Umma, die sich selbst von allen „degenerierten“ Elementen befreien muss. Und der islamistische Terror der daraus entwächst ist Wasser auf den Mühlen derer, die vor der Islamisierung warnen und sie eigentlich kaum erwarten können, die rechten Bürgerkriegsfanatiker, die schon Todeslisten führen und Waffen sammeln.

Ob jetzt islamistisch und faschistisch aufgeladener Imperialismus oder Neonazis, einig sind sie sich in ihren Feindbildern: die moderne Gesellschaft und was sie alles dafür halten. Die Feinde sind alle, welche nicht als Teil der eigenen Nation begriffen werden: Feminist*innen, die Menschen mit der „falschen“ Religion, queere Personen, Menschen ohne Papiere, Linke und Jüd*innen.

Unsere Antwort darauf kann nur Solidarität sein: Solidarität mit den Kurd*innen, Araber*innen und Ezid*innen in Rojava, Solidarität mit den Jüd*innen in Deutschland und der ganzen Welt.

Und was wir tun können? Als erstes: uns solidarisch zeigen, mit den Opfern der Gewalt und ihren Angehörigen. Dann: in die Offensive gehen, rechte, islamistische und antisemitische Strukturen angreifen. Unserer Wut Ausdruck verleihen, laut sein. Den kapitalistischen Normalzustand angehen, nicht vergessen, dass Faschismus und Islamismus ihren Nährboden in Armut und Ausgrenzung haben solange es kein linkes Gegenangebot gibt.

Alerta Antifascista & biji berxwedana rojava!