Der Südkurier legt seiner neuen Ausgabe eine Werbebroschüre der AfD bei. Eins muss man der Redaktion lassen: Immerhin ist das ein Schritt zu mehr Ehrlichkeit. Früher regierte bei dem rechtskonservativen Schmierblatt der Region noch diese abwiegelnde „Ob rechts oder links, Extremismus ist immer gleich schlimm“-Argumentation aus der Grabbelkiste der Hufeisen-Rhetorik, aber jetzt gibt es der Südkurier wenigstens offen zu: Extremismus finden wir ganz okay – aber nur, solange er von rechts kommt.
So richtig überraschen kann das niemanden, denn in welche Kerbe die Berichterstattung des Blattes schlägt, dürfte seit Jahrzehnten klar sein: Sei es der Kuschelkurs mit der Neonazi-Gruppe Wodans Erben, seien es die zeitweise fast im Monatstakt erscheinenden Artikel, die vor der „Gefahr von links“ warnten, sei es die Schmutzkampagne gegen OB-Kandidat Luigi Pantisano, die von pseudoinvestigativen Gaga-Faktenchecks („Ist Pantisano ein heimlicher Linker?“) bis hin zu panischem Gekreische („Angst vor der Öko-Diktatur“, „Wird er Konstanz in ein linkes Chaos stürzen?“) reichten – aus seinem Hass auf Linke und seine Anbiederung an Rechte hat der Südkurier nie einen Hehl gemacht. Das Problem zieht sich durch die ganze Geschichte der Zeitung: Schon in den Siebzigern hetzte das populistische Plattitüden-Blatt zusammen mit CDU und NPD gegen die sogenannten „Gammler“ (damalige Bezeichnung für langhaarige Jugendliche, die in der Öffentlichkeit Musik hörten und dafür vom rechten Bürgitum verachtet wurden), bis einer der angeprangerten Jugendlichen ermordet wurde, und erst im Oktober 2020 spazierten Südkurier-Journalist:innen mit zugekniffenen rechten Augen durch die Konstanzer Querdenken-Demo, auf der sich bekannte Neonazis, Verkaufsstände des ultrarechten Compact-Magazins und antisemitische Redner:innen tummelten und behaupteten anschließend, sie hätten „keine offen rechten“ Personen gesehen – nur, um in den nächsten Artikeln weiter die Antifa und die Black-Lives-Matter-Bewegung zu dämonisieren. Kurz: Dass der Südkurier bei rechter Hetze kräftig mitmischt, ist niemandem neu.
Neu hingegen ist die Offenheit, mit der die Redaktion sich dem Rechtsradikalismus anbiedert: Eine zehnseitige Beilage, gestaltet wie ein redaktioneller Teil, prall gefüllt mit druckfrischem Verbaldurchfall aus der AfD-eigenen Hassmanufaktur – vorbei die Zeiten, in denen der Südkurier sich noch als das Sprachrohr der bürgerlichen Mitte darzustellen versuchte und rassistische, klassistische, autoritäre Hetze unter argumentativ unterdimensionaler links-rechts-Gleichsetzung zu verstecken versuchte, jetzt ist man wenigstens offen: Schaut her, der braune Müll ist da, wo er hingehört – in unserer Zeitung!
Dass die AfD eine Gefahr für die freie Presse ist, müssen wir dem Südkurier nicht erklären. Wieso auch? Die Redaktion weiß das. Die AfD hat ihren Hass auf die „Lügenpresse“ oft genug betont, hat sich freier Berichterstattung oft genug verwehrt, hat oft genug zu Angriffen auf die Presse angestachelt. Dem Südkurier ist das bekannt, und es ist ihm egal. Wir könnten auch viel Zeit darauf verwenden, die in der genannten AfD-Beilage geäußerten Behauptungen zu widerlegen, aber wozu? Die Propaganda der Partei basiert nicht auf Fakten oder Quellen, sondern darauf, dass sie bestehende Meinungen bestätigt und Menschen aufstachelt. Die Sympathisant:innen der AfD haben dieses Blatt bereits gelesen. Es hat seine Wirkung bereits getan.
In den nächsten Tagen und Wochen werden wir von Seiten der Verantwortlichen wieder viele Beschwichtigungen hören, die wir alle zur Genüge kennen: Zum demokratischen Diskurs gehöre das Anhören aller Meinungen; Parteien nicht die Möglichkeit zur Meinungsäußerung zu geben, sei Zensur; und natürlich könne jede Partei ihre Werbung im Südkurier unterbringen. Die Redaktion wird sich wieder als Organ der Meinungsfreiheit präsentieren, der sich zwar gerne gegen rechten Hass positionieren würde, dem aber in all seiner Neutralität die Hände gebunden sind – eine Neutralität, die komischerweise immer dann verschwindet, wenn mal wieder irgendwo eine linke Demo stattfindet. Wir könnten jetzt fragen, warum sich der Südkurier denn überhaupt so neutral gegenüber der AfD verhalten sollte. Warum er nicht seine Möglichkeit zur Kritik nutzt, warum er sich nicht dagegen entscheidet, Werbeaufträge von Institutionen anzunehmen, deren Inhalte den grundlegendsten Prinzipien der Redaktion widersprechen. Aber das würde voraussetzen, dass es überhaupt einen Widerspruch zwischen den Prinzipien der AfD und denen des Südkurier gäbe. Oder, dass der Südkurier überhaupt Prinzipien hätte. Und bei beidem sind wir uns nicht so ganz sicher.