Der 8. Mai 2017 war schon ein besonderes Ereignis in Radolfzell. Es gab an diesem Tag drei Versammlungen, was in diesem doch eher beschaulichen Städtchen eine Seltenheit ist. Gleichzeitig waren noch ein polizeiliches Großaufgebot und ein Trupp Neofaschisten des „III. Weges“ vor Ort. Die Ereignisse dieses Tages wollen wir nun versuchen aus unserer Sicht zusammen zu fassen.
Als Beteiligte an einem dieser Infostände, fiel uns schon vor dem 8. Mai auf, dass die Stadt wohl nicht ganz so erpicht auf unseren Besuch war. So wurden wir, statt dass unsere angemeldete Kundgebung genehmigt wurde, zu einem „Kooperationsgespräch“ nach Radolfzell bestellt. Nach diesem Treffen und einem ewigen E-Mail-Verkehr war der Stand der Dinge folgender: Unsere Anmeldung auf dem Marktplatz sowie das Aufstellen eines Pavillons wurden nicht zugelassen. Schließlich wurden wir an einen im besten Falle von Passanten wenig frequentierten Ort verbannt und bekamen außerdem die Anweisung, die Kundgebung eine Stunde früher als von uns geplant aufzulösen, da ein Altersheim an dem von der Stadt vorgeschlagenen Platz lag.
Während des „Kooperationsgespräches“ fragten uns Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung, ob wir mit unserem Engagement nicht Werbung für den „III Weg“ machen würden. Wie nicht anders zu erwarten war, versuchten sie mithilfe der Polizei und des Ordnungsamtes die Problematik mit den in den letzten Jahren zunehmenden Aktivitäten des „III. Weges“ unter den Teppich zu kehren und antifaschistischer Aufklärung gezielt Steine in den Weg zu legen.
Wir beschlossen daher, uns mit der „Radolfzell ist bunt“ Versammlung auf dem Luisenplatz zusammenzuschließen, um gemeinsam ein starkes Zeichen gegen Faschismus und Krieg zu setzen.
Neben der Kundgebung auf dem Luisenplatz fand gleichzeitig ein „Friedensfest“ auf dem Marktplatz statt. Es wurde mit organisiert von Bürgerverbänden, Kirchen und der Initiative „Demokratie leben“, ein staatlich gefördertes Projekt „gegen jeden Extremismus“. Da wir sehr starke Probleme mit diesem Extremismus-Theorem haben, welches auch vom Verfassungsschutz par exellance angewandt wird, um Faschist*innen mit Antifaschist*innen gleichzusetzen, war es für uns nur folgerichtig, sich nicht an diesem „Fest“ zu beteiligen.
Das „Friedenfest“ löste sich auch recht schnell auf, da aufgrund des schlechten Wetters nur wenige Besucher*innen kamen und dazu auch das Bemalen eines Papierbanners geplant war, was wegen der Nässe nur vorübergehend möglich war.
Trotz des nassen Wetters kamen am Montagnachmittag über 50 Menschen zur Kundgebung vor das Kriegerdenkmal am Radolfzeller Luisenplatz. Ziel der Demonstrant*innen war es, gegen Rassismus einzustehen und für ein offenes Miteinander zu demonstrieren. Der Versammlungsort, welcher die letzten zwei Jahre am 8. Mai den Faschist*innen der Partei „Der III. Weg“ dazu diente, um vor dem Nazi-Denkmal mit einer Kranzniederlegung der zu Helden verklärten deutschen Kriegsverbrecher zu gedenken, war von einem Großaufgebot der Polizei umgeben.
Obwohl der Aufbau unseres Infostandes im Voraus von Seiten der Versammlungsleitung angemeldet wurde, mussten wir nach langen Diskussionen mit den Behörden unseren Stand wieder abbauen. Scheinbar war es für die Stadt nicht ersichtlich, dass in strömendem Regen das zugesicherte Verteilen und Auslegen von Flugblättern ohne einen Pavillon unmöglich war. Unter anderem wurde unter lächerlichen Aussagen, wie dass der Pavillon plötzlich umkippen könnte und so Personen verletzt würden, argumentiert. Kurz bevor wir unseren Stand abbauen mussten, wurden vier Faschisten am Versammlungsort gesichtet, offensichtlich mit dem Ziel, die Kundgebung abzufotografieren. Die Faschisten gehören dem Umfeld des „III. Weges“ an.
Nur wenige Meter von der Polizei entfernt, griffen sie einen Teilnehmer der Kundgebung an, welcher versuchte das Geschehen mit Fotos zu dokumentieren. Die Polizei reagierte erst nachdem sich einige Demonstranten den Angreifern in den Weg stellten. Die Nazis wurden ohne strafrechtliche Konsequenzen von der Polizei ziehen gelassen, obwohl einer von ihnen recht offensichtlich den Hitlergruß zeigte. Konsequenzen gab es nur für die Kundgebungsteilnehmer*innen: Einige von ihnen wurden von der Polizei körperlich angegangen und gestoßen, darüber hinaus musste Bildmaterial über den Angriff der Nazis und den daraus folgenden Tumult gelöscht werden. Die Faschisten, welche Teilnehmer*innen der Kundgebung filmten, mussten ihr Material übrigens nicht löschen.
Nachdem die Nazis sich verzogen hatten, folgten Redebeiträge von einem Geflüchteten, von Simon Pschorr für die Linkspartei und von einem Aktivisten des OAT Konstanz.
Aufgrund des Verhaltens der Stadtverwaltung und Polizei gegenüber den Teilnehmer*innen der Kundgebung formierte sich ein spontaner Demonstrationszug, der lautstark und Parolen skandierend zum Bahnhof zog.
Kurz nach Beginn der Sponti fuhr ein Auto mit Konstanzer Kennzeichen an dem Demonstrationszug vorbei, in dem Auto befanden sich die Aktivisten des III. Weges welche rechte Parolen riefen, jedoch dann sehr schnell wegfuhren. Am Bahnhof löste sich die Sponti auf. Nach der Demonstration führte die Polizei unter fadenscheinigen Begründungen Personenkontrollen bei mehreren Antifascht*innen durch und drohten rechtliche Konsequenzen an.
Wie der „III. Weg“ auf Facebook veröffentlichte, konnten die Nazis am Abend dennoch den Kriegsverbrechen der SS-Kaserne am Denkmal auf dem Luisenplatz gedenken. Radolfzell wird, so lange es dieses Denkmal und keine entschlossenere Gegenwehr gibt, weiterhin Ziel von Neofaschist*innen wie dem „III. Weg“ sein.
Wir danken der Polizei und dem Amt für Sicherheit und Ordnung Radolfzell für die miserable „Zusammenarbeit“!
Es bleibt dabei, in Sache Antifaschismus kann man sich nicht auf Polizei und Behörden verlassen
OAT Konstanz